Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre by Johann Gottlieb Fichte

Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre by Johann Gottlieb Fichte

Autor:Johann Gottlieb Fichte [Fichte, Johann Gottlieb]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00


1) Ohne Unendlichkeit des Ich – ohne ein absolutes, in das unbegrenzte und unbegrenzbare hinaus gehendes Productions-Vermögen desselben ist auch nicht einmal die Möglichkeit der Vorstellung zu erklären. Aus dem Postulate, dass eine Vorstellung seyn solle, welches enthalten ist in[217] dem Satze: das Ich setzt sich, als bestimmt durch das Nicht-Ich, ist nunmehr dieses absolute Productionsvermögen synthetisch abgeleitet und erwiesen. Aber es lässt sich vorher sehen, dass im praktischen Theile unserer Wissenschaft jenes Vermögen auf ein noch höheres werde zurückgeführt werden.

2) Alle Schwierigkeiten, die sich uns in den Weg stellten, sind befriedigend gehoben. Die Aufgabe war die, die entgegengesetzten, Ich und Nicht-Ich, zu vereinigen. Durch die Einbildungskraft, welche widersprechendes vereinigt, können sie vollkommen vereinigt werden. – Das Nicht-Ich ist selbst ein Product des sich selbst bestimmenden Ich, und gar nichts absolutes und ausser dem Ich gesetztes. Ein Ich, das sich setzt, als sich selbst setzend, oder ein Subject ist nicht möglich ohne ein auf die beschriebene Art hervorgebrachtes Object (die Bestimmung des Ich, seine Reflexion über sich selbst, als ein bestimmtes, ist nur unter der Bedingung möglich, dass es sich selbst durch ein entgegengesetztes begrenze). – Bloss die Frage, wie und wodurch der für Erklärung der Vorstellung anzunehmende Anstoss auf das Ich geschehe, ist hier nicht zu beantworten; denn sie liegt ausserhalb der Grenze des theoretischen Theils der Wissenschaftslehre.

3) Der an die Spitze der gesammten theoretischen Wissenschaftslehre gestellte Satz: das Ich setzt sich als bestimmt durch das Nicht-Ich – ist vollkommen erschöpft, und alle Widersprüche, die in demselben lagen, gehoben. Das Ich kann sich nicht anders setzen, als, dass es durch das Nicht-Ich bestimmt sey (kein Object, kein Subject). Insofern setzt es sich als bestimmt. Zugleich setzt es sich auch als bestimmend; weil das begrenzende im Nicht-Ich sein eigenes Product ist (kein Subject, kein Object). – Nicht nur die geforderte Wechselwirkung ist möglich, sondern auch das, was durch das aufgestellte Postulat gefordert wird, ist ohne eine solche Wechselwirkung gar nicht denkbar. Das, was vorher bloss problematisch galt, hat jetzt apodiktische Gewissheit. – Dadurch ist denn zugleich erwiesen,[218] dass der theoretische Theil der Wissenschaftslehre vollkommen beschlossen ist; denn jede Wissenschaft ist beschlossen, deren Grundsatz erschöpft ist; der Grundsatz aber ist erschöpft, wenn man im Gange der Untersuchung auf denselben zurückkommt.

4) Soll der theoretische Theil der Wissenschaftslehre erschöpft seyn, so müssen alle zur Erklärung der Vorstellung nöthige Momente aufgestellt und begründet seyn; und wir haben demnach von nun an nichts weiter zu thun, als das bis jetzt erwiesene anzuwenden und zu verbinden.

Aber ehe wir diesen Weg antreten, ist es nützlich, und von wichtigen Folgen für die vollkommene Einsicht in die gesammte Wissenschaftslehre, über ihn selbst zu reflectiren.

5) Unsere Aufgabe war, zu untersuchen, ob und mit welchen Bestimmungen der problematisch aufgestellte Satz: das Ich setzt sich, als bestimmt durch das Nicht-Ich, denkbar wäre. Wir haben es mit allen möglichen durch eine systematische Deduction erschöpften Bestimmungen desselben versucht; haben durch Absonderung des unstatthaften und undenkbaren das denkbare in einen immer engeren Cirkel gebracht, und so Schritt vor Schritt uns der Wahrheit immermehr genähert, bis wir endlich die einzig-mögliche Art zu denken, was gedacht werden soll, aufgefunden.



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